Emotionale Energien als treibende Motoren
in der Reaktion auf SARS‐COV‐2

SARS‐COV‐2 hält die Welt in Atem. Die letzten Tage gleichen eher einem Thriller. Maßnahmen werden ergriffen, die unsere Welt in dieser Form wahrscheinlich noch nie erlebt hat. Bündnisse werden geknüpft, Maßnahmen koordiniert, wie es vor ein paar Monaten noch undenkbar erschien. Das öffentliche Leben und die Wirtschaft stehen still. Die Finanzmärkte brechen ein. Notwendige und unwirksame Hygieneartikel sind Mangelware. Die vorhandenen Artikel werden zu überzogenen Preisen verkauft. Politiker sprechen eine deutliche und klare Sprache. Sie vergewissern und beruhigen uns, dass das Gesundheitssystem gut gerüstet ist und genügend Kapital zur Verfügung steht, die wirtschaftliche Krise zu überwinden. Unserem Körper fehlt die Vorkenntnis, mit dem neuen Virus umzugehen. Einige sind in dieser Situation gelassen und beruhigt. Andere sind unsicher, manchmal panisch. Nur wenige nehmen die Krise nicht ernst. Wir erleben, wie sich individuelle und globale Fühl‐Denk‐ und Verhaltensmuster bilden, die zu einer bisher unbekannten und ungewohnten Spannung führen (z.B. Hamster‐ und Panikkäufe). Emotionen sind Energien, die treibenden Kräfte oder Motoren, die bei der Verarbeitung von Krisen und der Suche nach Problemlösungen eine entscheidende Rolle spielen. Ein Übermaß an kognitiv‐emotionaler Spannung kann im Einzelnen und in der Gesellschaft unvermittelt zum Kippen gewohnter individuelle und globaler Fühl‐Denk‐ und Verhaltensmuster führen.

„Unter dem Einfluss von kritisch steigenden emotionalen Spannungen können sich die vorherrschenden Fühl‐ Denk‐ und Verhaltensmuster indessen plötzlich und umfassend verändern (Luc Ciompi & Elke Endert, 2011).“

Diese Umschwünge im Fühlen, Denken und Verhalten entwickeln sich (plötzlich) auf der Grundlage lange vorher vorhandener Spannungen im Einzelnen und in der Gesellschaft. Die Corona Pandemie trifft in Europa auf vorhandene Fühl‐Denk‐ und Verhaltensmuster. Beispiele dafür sind die Fühl‐Denk‐ und Verhaltensmuster in Bezug auf die ökologische Bedrohung unseres Planeten. Oder die Reaktion auf die Flüchtlingsströme. Die Landtagswahlen in Thüringen zeigen, wie sich die politische Situation für alle verändern kann. Niemand kann einschätzen, was uns nach der Bundestagswahl 2021 erwartet. Die Bedrohung durch Terrorismus und Gewalt geht nicht mehr nur von klar abgegrenzten Personengruppen aus, sondern kann unvermittelt und unvermutet von Mitbürgern ausgehen. Die Abgasskandale in der Automobilindustrie und andere Skandale in der Wirtschaft erschüttern das Vertrauen in die Marke „Made in Germany“. Undurchsichtig war die Lage an den Börsen. Niemand wusste, wie lange die Börsenkurse noch steigen und die Immobilienpreise sich halten können. Die Mehrheit der Bundesbürger glaubt bewusst oder unbewusst, dass unser Planet früher oder später trotz aller Verantwortung für diese Erde aus dem Weltall verschwinden wird. So sicher, wie die Erde aus Sicht der Evolutionstheorie und des konsequenten Naturalismus zufällig entstanden ist. Unter einigen Christen rücken diese Entwicklungen (angstbesetzte) Theorien über die Endzeit ins Blickfeld. Andere Christen entdecken darin einen weiteren verlässlichen Hinweis, dass Jesus Versprechen, wiederzukommen bald erfüllt.

Das sind nur einige Beispiel, auf welche Spannungen in den Fühl‐Denk‐ und Verhaltensmustern die Corona Pandemie trifft. Da genügt der Flügelschlag eines Schmetterlings, um die kollektiven Emotionen zu entladen. Diese ganzheitlichen körperlich seelischen Zustände sind Filterfunktion, die sich auf die individuelle und kollektive Aufmerksamkeit und das individuelle und kollektive Denken auswirken. Eine kollektive Angst‐, Wut‐, Freude‐, Trauerlogig etc. kann auf allen Ebenen zu mächtigen Massenbewegungen führen.

Wem es gelingt, diese Emotionen vertrauensvoll und glaubhaft zu beruhigen, dem werden die Betroffenen soziale (politische und sinnstiftende) Macht schenken. Die Corona Pandemie erfordert deshalb höchste Aufmerksamkeit und Wachheit auf allen individuellen und sozialen Ebenen. Eine Besinnung auf sinnstiftende Werte kann wesentlich dazu beitragen (V. Frankl in E. Lukas, 2005).

 

Klaus van Treeck, Weyhe am 17.03.2020

 

Elisabeth Lukas; Der Seele Heimat ist der Sinn: Logotherapie in Gleichnissen von Viktor E. Frankl. Zusammengestellt u. kommentiert. v. Elisabeth Lukas. Kösel Verlag, München 2005

Luc Ciompi, Elke Endert; Gefühle machen Geschichte. Die Wirkung kollektiver Emotionen – von Hitler bis Obama. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011